© Foto: Dir Meeves

Zum wiederholten Mal begegnet die Wissenschaft Ende Februar 2011 dem Tätowieren mit unumstößlichen Daten. Untersuchungen, die mit Fakten und Zahlen beeindrucken und am Ende scheinbar nur einen Schluss zu lassen: Es ist unverantwortlich bis hin gefährlich, sich mit den auf dem Markt befindlichen Farben tätowieren zu lassen. Wir möchten mit dieser Presseinformation die am 18.2.2011 veröffentlichte Untersuchung der Chemischen und Veterinäruntersuchungsämter Freiburg und Karlsruhe (CVUA) keineswegs in Frage stellen, sind die Ergebnisse doch bisweilen auch für uns irritierend. Dennoch müssen wir zu einigen Punkten Stellung nehmen, da sonst der ausdrückliche Eindruck entsteht, dass die gesamte Tätowier-Branche von allen guten Geistern verlassen ist. Und eben das ist sie nicht.

Hauptkritikpunkt der jüngsten – und auch der vorhergehenden Untersuchungen – sind die Tätowierfarben selbst. Demnach enthalten zu viele Farben gesundheitsschädliche Stoffe (aromatische Amine, Nitrosamine, Phenol). Ferner enthielten zu vielen Tätowierfarben jene technischen Pigmente, wie sie auch in Autolacken enthalten sind. Der Verdacht der krebserregenden Wirkung schließt sich an. Hierzu ist zu bemerken:

  •  Nach der Tätowiermittelverordnung vom 1. Mai 2009 dürfen in Deutschland nur Pigmente für die Herstellung eingesetzt werden, die für den sensibelsten Bereich 1 der Kosmetikverordnung deklariert sind. Darüber hinaus können auch rund 4.000 organische und 2.000 anorganische sogenannte nichtgeregelte Pigmente außerhalb der Verordnung benutzt werden. Voraussetzung: Hier muss der Hersteller gemäß der Tätowiermittelverordnung, den Nachweis erbringen, dass diese Pigmente den Reinheitskriterien der Kosmetikverordnung entsprechen und weder PAK (Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe) enthalten noch aromatischen Amine freisetzen. Deutsche Farb-Hersteller richten sich danach und kennzeichnen die Farbmittelbehälter entsprechend mit allen Inhaltsstoffen und dem Herstellungsort.
  • Tatsächlich sind die eigentlichen Farbpigmente – egal ob sie technisch oder kosmetisch sind – identisch. Einzig: Ein Cosmetical Grade wurde öfter gereinigt als ein Technical Grade. Von daher ist es letzthin normal, dass diese Pigmente sowohl in Autolacken als auch in Zahnpasta mit blauen Streifen, Eyelinern und Lippenstiften stecken. Und ja, somit auch in Tätowierfarben.
  • Deutsche Hersteller richten sich – weil sie es wollen und müssen – nach den neuesten Vorgaben der Tätowiermittelverordnung. Ausländische Hersteller müssen das leider nicht. Problematisch sind daher diese ausländischen – und zumeist nicht europäischen – Farbhersteller und -lieferanten, die belastete Farben mittels deutscher Importeure in den Markt bringen wollen.
  • Nach der o.g. Untersuchung dürfen keine Pigmente verwendet werden, die nach reduktiver Spaltung aromatische Amine abspalten. Doch sobald ein aromatisches Amin in einem Element enthalten ist, ist es egal ob es nach reduktiver oder nach oxidativer Spaltung den Stoff abgibt. Auch die Studie ist – nicht nur an dieser Stelle – ungenau.
  • Fakt ist, dass aromatische Amine Krebs verursachen. Ob die problematischen Pigmente Krebserkrankungen verursachen, ließ sich bisher jedoch mit keiner wissenschaftlichen Untersuchung nachweisen.
  • Das CVUA Karlsruhe und Freiburg empfehlen, wie auch wir, die Leitlinien zur Beurteilung von Tätowier- und Permanent Make up-Farben für Betreiber von Tattoo- und PMU-Studios.
  • Bundesweit sind etwa 10 % aller Bundesbürger tätowiert. In den USA ist es fast jeder vierte.

In Summe bleibt festzuhalten:

  • Ja, es gibt problematische Farben.
  • Welche gesundheitlichen Risiken damit verbunden sind ist über weite Strecken unklar.
  • Deutsche Tätowierfarbhersteller haben für diese spezifische Pigment-Chemie in den zurückliegenden Jahren Regelwerke und gesetzeskonforme Lösungen – auch gemeinsam mit den Ministerien in Berlin – entwickelt und produzieren nachweislich danach.
  • Nicht die Tätowiermittelverordnung, sondern die Kontrolle von Lieferanten, die ausländische Farben in den Markt bringen, muss verschärft werden.
  • Man kann das Tätowieren nicht allgemein verurteilen, darf jedoch vereinzelte Hersteller herausgreifen.

Die Autoren dieses Textes haben es sich zur Aufgabe gemacht, über das Tätowieren neutral und kritisch zu berichten – und dies, obwohl sie selbst Teil dieser Branche sind. Doch gerade deshalb ist es ihr erklärtes Ziel, langfristig durch Qualität und Unbedenklichkeit zu überzeugen. Kranke Kunden brächten das denkbar schlechteste Renommee und würden eine ganze Branche schädigen. Also wollen auch die Autoren ein Maximum an Sicherheit in ein punktuell – nach wie vor – mit Unsicherheiten versehenes Kunstgewerbe bringen.

Dipl.-Biol. Dr. rer. medic. Mark Benecke
Dipl. Ing. (FH) Michael Dirks
Carolin Stutzmann